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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 5 U 106/04
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
- |
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes
verkündet am: 16. Dezember 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 5 . Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2004 durch die Richter am Oberlandesgericht xxx und xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Februar 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel - 4 O 142/03 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.225,84 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2001 Zug um Zug gegen Übergabe von 3.960 Aktien der S AG zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten aus einem Wertpapiergeschäft auf Schadensersatz in Anspruch.
Am 27. Januar 1998 besuchte der Kläger - seinerzeit in xxx stationierter Soldat - zusammen mit anderen Kameraden, u. a. den Zeugen W , K , Sch , M . und H , eine Informationsveranstaltung im Soldatenheim, die der Zeuge M aIs damaliger Vorgesetzter des Klägers organisiert hatte und zu welcher der Beklagte als freier Wirtschaftsberater zu einem Vortrag über "strategische Finanzplanung" eingeladen worden war. Ungeachtet des im Einzelnen streitigen Verlaufs der Veranstaltung wurde im Rahmen dieses Vortrags die "xxx Gruppe" und die von dieser herausgegebene "S -Aktie", ein seinerzeit vorbörsliches Wertpapier, erwähnt. Im Anschluss an die Veranstaltung sprach der Kläger den Beklagten auf die Möglichkeit des Erwerbs dieser Aktien an. In diesem Zusammenhang übergab der Beklagte dem Kläger seine Visitenkarte.
Der Kläger wandte sich später telefonisch an den Beklagten, um S -Aktien zu kaufen. Am 9. März 1998 und am 14. April 1998 erwarb der Kläger jeweils 1.600 Aktien der S AG zum Preis von je 6,25 DM, also insgesamt zu je 10.000 DM, von dem Beklagten. Diese Aktien hatte der Beklagte seinerseits aus zwei Kaufaufträgen übernommen, die er im Fremdauftrag am 26. Mai bzw. 25. Juni 1997 über den Stuttgarter Telefonhandel erteilt hatte, seinerzeit bei einem mittleren Verkaufspreis von 7,65 DM je Aktie mit Gewinnberechtigung ab 1996. Nach Angaben des "Gerlach-Reports" (K 5, Bl. 20 d. A.) hatte sich der Kurs der S -Aktien von am 31. Dezember 1996 5,20 DM, auf am 3. Januar 1997 3,45 DM und auf am 9. Januar 1997 3,40 DM ermäßigt. Im Jahresschnitt 1998 betrug er nach eigenen Angaben der G -Gruppe (K 6, Bl. 22 d. A.) 4,38 DM und lag nach 1999 noch niedriger, nämlich 1999 im Jahresdurchschnitt bei 1,66 €, im Jahre 2000 im Durchschnitt bei 0,77 €, im Jahre 2001 im Durchschnitt bei 0,28 € und im Jahre 2002 im Durchschnitt bei 0,11 €.
Im zwischen den Parteien jeweils geschlossenen Wertpapierkaufvertrag (K 1, K 2, Bl. 14 f. d. A.) heißt es unter "Chancen/Risiken":
"Die Gesellschaft plant, ihre Aktien an einem geregelten Börsensegment handeln zu lassen. Unter dieser Voraussetzung ist mit einer deutlichen Wertsteigerung zu rechnen. Ein vorzeitiger Verkauf ist nur anlegerintern oder über den ungeregelten Freiverkehr möglich. Zurzeit liegt der dort erzielbare Verkaufserlös bei ca. 70 % des Kaufpreises.
Im Frühjahr 1997 hat die G -Gruppe Vermögens- und Finanzierholding KGaA im Rahmen zeitlich und mengenmäßig begrenzter Sondermaßnahmen Aktien auf dem Zahlungstermin 31.12.1999 (31.12.2000) zum Stückpreis von 12,50 DM (15,00 DM) erworben bzw. zum erstgenannten Kurs per 1997 im Beteiligungsguthaben umgetauscht. Im Verlauf des Jahres 1997 konnte im ungeregelten Freiverkehr in Spitze ein Verkaufserlös in Höhe von 8,00 DM je Aktie erzielt werden."
In den beiden Verträgen beigefügten "Begleitinformationen zum Wertpapierkaufvertrag (Aktien der S -AG)" (Bl. 17 d. A.) heißt es u. a.:
"Der Kaufvertrag enthält wesentliche Informationen für die Anlageentscheidung. Der Verkäufer stellt darüber hinausgehende Informationen gern zur Verfügung. Der Käufer kann sich bei ihm jederzeit über den aktuellen Sachstand informieren.
Bei diesem Angebot handelt es sich um keine mündelsichere Kapitalanlage, sondern um ein spekulatives Aktiengeschäft. Risikobegrenzend ist, daß der Kaufpreis deutlich unter dem zuletzt von S -AG bekanntgegebenen Substanzwert (= Nettovermögen der AG je Aktie) liegt. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte 1997 schon ein Gegenwert von 12,50 DM erzielt werden.
Laut Geschäftsbericht 1996 betrug der Ertrag je Aktie 1,47 DM. Bei einem KGV = 15 ergäbe sich auf dieser Grundlage ein Ertragswert von 22,00 DM je Aktie. Unter Einbeziehung danach ausgegebener Berichtigungsaktien als Korrekturfaktor verbliebe ein aktueller Status von ca. 17,50 DM.
Ob ein Handelskurs in der o. g. Größenordnung erreichbar ist, hängt im wesentlichen von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, von der Realisierung des geplanten Börsengangs und danach auch von allgemeinen börsenspezifischen Indikatoren ab.
Auf der letzten Hauptversammlung der S -AG konstatierten Börsenkenner demgegenüber, dass es sich nach ihrer Einschätzung bei der S -Aktie um eine der preiswertesten im gesamten Markt handele. Ein Brancheninformationsdienst hielt bei gutem Verlauf durchaus ein 200 % (Gewinn-) Potential für realistisch. Der Verkäufer teilt diese Einschätzung. Er hält einen entsprechenden Eigenbestand. Als Wirtschaftsberater ist er mit der Thematik vertraut. Außerdem ist er bereits seit 1990 Aktionär der S -AG und zwischenzeitlich in sechsstelliger Größenordnung engagiert.
..."
Des weiteren wurde der Käufer auf die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Rücknahmegarantie hingewiesen.
Der Kläger begehrt Rückgängigmachung der Aktienkaufverträge und hat insoweit erstinstanzlich behauptet, dass Gegenstand der Veranstaltung am 27. Januar 1998 ausschließlich die Anpreisung von Produkten der S -AG gewesen sei, während der Beklagte Sparkassen, Bausparkassen und Lebensversicherungen anhand von Fallbeispielen als "Verbrecher" dargestellt habe, die wie andere negative Stimmen den bevorstehenden Börsengang verhindern wollten. Demgegenüber hat der Beklagte darauf verwiesen, dass das Thema der S -Aktie lediglich durch eine Frage aus dem Zuschauerraum zur Sprache gekommen sei und er dem Kläger im anschließenden persönlichen Gespräch erläutert habe, wie die Aktie erworben werden könne. Darüber hinaus habe er ihn auch auf die Risiken vorbörslicher Aktien und auf negative Pressestimmen hingewiesen, aber zugleich deutlich gemacht, dass er persönlich diesen nicht folge, sondern selbst einen beträchtlichen Bestand an S -Aktien halte.
Das Landgericht, auf dessen Urteil hinsichtlich weiterer Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hingewiesen wird, hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Zwischen den Parteien sei kein Anlageberatungsvertrag, sondern lediglich ein Anlagevermittlungsvertrag zustande gekommen. Daher sei der Beklagte nicht zur fachkundigen Bewertung der Anlage, sondern lediglich zur Auskunftserteilung verpflichtet gewesen. Aufklärungsmängel könnten dem Beklagten aber nicht vorgeworfen werden.
Gegen dieses ihm am 8. März 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. April 2004 rechtzeitig beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht Berufung eingelegt und diese nachfolgend wie folgt begründet:
- Unzutreffend sei das Landgericht lediglich von einem Anlagevermittlungsvertrag ausgegangen. Tatsächlich sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, habe sich der Beklagte doch auf der Informationsveranstaltung als unabhängiger Finanzberater vorgestellt und sei er - der Kläger - doch an den Beklagten mit dem erkennbaren Ziel herangetreten, von diesem gerade im Hinblick auf die Aktien der S -AG auch beraten zu werden.
- Ungeachtet dessen habe der Beklagte aber selbst bei Anlagevermittlung sämtliche Informationen über die für den Anlageentschluss wesentlichen Umstände mitteilen müssen. Hierbei könne entgegen der Auffassung des Landgerichts keinesfalls zwischen gewerblicher und nicht gewerblicher Anlagevermittlung unterschieden werden.
Nicht ausreichend sei insoweit die auf die mangelnde Handelbarkeit und Veräußerbarkeit im Freiverkehr hingewiesen worden, insbesondere auch nicht darauf, dass eine derartige unter Umständen gar nicht gegeben sei.
- Ebenfalls habe der Beklagte nicht hinreichend und vollständig über den dramatischen Kursrückgang seit 1996 aufgeklärt.
- Schließlich habe der Beklagte auch nicht die Inhalte negativer Presseerklärungen erläutert, sondern diese einfach als Lügen abgetan.
- Darüber hinaus habe der Beklagte nicht die S -Aktien als "optimale Anlageform, um eine hohe Rendite zu erreichen", darstellen dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.225,84 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. August 2001, Zug um Zug gegen
Übergabe von 3.960 Aktien der S -AG ZU zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die klägerische Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft sein bisheriges Vorbringen.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze - insoweit auch auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 6. Dezember 2004 - einschließlich der jeweils beigefügten Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
Zu Recht nämlich nimmt der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Zusammenhang mit am 9. März 1998 und am 14. April 1998 durchgeführten Ankaufen von jeweils 1.600 S -Aktien in Anspruch. Entgegen der Auffassung des Landgerichts folgt dies bereits daraus, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsverhältnis zustande gekommen ist und der Beklagte die sich für ihn hieraus ergebenden Pflichten nicht erfüllt hat (1.), aber hilfsweise auch daraus, dass der Beklagte nicht die ihn im Vorfeld der Wertpapierveräußerung treffenden Aufklärungspflichten erfüllt hat (2.).
1. Von einem Anlageberatungsverhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits geht der Senat deshalb aus, weil im Nachgang zur unstreitig von dem Beklagten am 27. Januar 1998 durchgeführten Informationsveranstaltung der Beklagte dem Kläger tatsächlich Beratungsdienstleistungen gewährt hat, ein Anlageberatungsverhältnis aber bereits durch die tatsächliche Gewährung von Beratungsdienstleistungen stillschweigend zustande kommt (vgl. bereits BGHZ 100, 117, 118 f.; BGHZ 123, 126, 127).
Noch mit dem Landgericht ist der Senat zunächst der Auffassung, dass die fragliche Informationsveranstaltung sich zwar keinesfalls vorrangig auf S -Produkte bezogen hat oder gar diese beworben hat. Dies schließt es auch aus, in dem Abhalten der fraglichen Veranstaltung durch den Beklagten bereits selbst die Gewährung von Beratungsdienstleistungen gegenüber den Besuchern - darunter der Kläger - zu ersehen. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass der Vortrag tatsächlich darauf angelegt war, traditionelle Anlageformen (Lebensversicherungen, Bausparverträge o. ä.) als kritikwürdig darzustellen und von daher das Interesse des Zuhörerkreises für vergleichsweise "alternative" Anlageformen - darunter auch "S "-Beteiligungen - zu öffnen. Nimmt aber nach einer derartig aufgezogenen Vortragsveranstaltung ein Veranstaltungsbesucher mit dem Referenten Kontakt auf, muss dieser davon ausgehen, dass sein Vortrag "nachwirkt" und der Kontaktierende in ihm - dem Referenten - einen Fachmann für die erwähnten Anlagealternativen konsultieren möchte. Lässt der Referent sich dann nicht nur auf ein abstraktes Fachgespräch ein, sondern erteilt konkrete Informationen über eine bestimmte Anlage, so wird - was einem Fachberater auch keineswegs verborgen bleiben kann - tatsächlich Anlageberatung gewährt. Derart lag es auch im vorstehend zu beurteilenden Sachverhalt:
Denn nicht nur gewährte der Beklagte bereits nach eigener Einlassung (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2003, Bl. 114 ff. d. A.) dem Kläger schon in unmittelbarem Anschluss einige Informationen über die Erwerbbarkeit von S -Aktien und die von den Banken gegenüber der G -Gruppe betriebene Stimmungsmache, die den Erwerb derartiger Aktien erschwere. Vielmehr übergab unstreitig der Beklagte dem Kläger schon an diesem Abend seine Visitenkarte - auf welcher er sich als Inhaber einer "Praxis für Wirtschaftsberatung und zeitgemäße private Finanzplanung" als fachkundig für die Gebiete "Kapitalanlageservice, Finanzierungsservice, Versicherungsservice, Immobilienservice" bezeichnete - und wies den Kontakt auch nicht ab, als der Kläger ihn später ihn anrief und darauf ansprach, ob er ihm S -Aktien besorgen könne, was dann im Wege des Direktverkaufs mit Wertpapierkaufverträgen vom 9. März und 14. April 1998 auf der Grundlage vorformulierter Verträge (K1, Bl. 14 ff. d. A.) auch geschah.
Bei dieser Sachlage mag zwar zweifelhaft erscheinen, ob bereits das zwischen den Parteien unmittelbar nach der Veranstaltung vom 27. Januar 1998 geführte Gespräch zu einem Anlageberatungsverhältnis geführt hat, konnte ein derartiges Gespräch seinen Teilnehmern doch noch als schlichte Fortführung der Veranstaltungsdiskussion erschienen sein bei lediglich der Möglichkeit einer späteren und intensiveren Kontaktaufnahme. Letztlich kann die Frage der Qualifizierung dieses ersten Gesprächs jedoch deshalb offen bleiben. Denn auch bei der noch in hinreichender zeitlicher Nähe erfolgten telefonischen Kontaktaufnahme des Klägers musste der Beklagte für möglich halten, dass die nunmehr kundgetane Erwerbsabsicht des Klägers zumindest maßgeblich noch von den Inhalten der am 27. Januar 1998 durchgeführten Informationsveranstaltung mitbestimmt wurde und nicht nur einfach ein erwerbsentschlossener Kunde ihn als schlichte Bezugsquelle kontaktierte, sondern der Kläger sich an ihn als denjenigen Experten wandte, den er in der Informationsveranstaltung kennen gelernt hätte. Ließ der Beklagte sich nun auf die ihm angesonnene Beschaffung von S -Aktien ohne weitere Erläuterungen als die schon bisher kundgetanen oder die aus den schriftlichen Formulierungen in dem vorformulierten Kaufverträgen ersichtlichen Informationen ein, so musste er zum einen davon ausgehen, dass der Kläger jedenfalls maßgeblich auf der Basis der ihm hierdurch vermittelten Anlageinformationen seine Anlageentscheidung getroffen hatte, und zum anderen davon, dass er dem Gesamtgeschehen nach letztlich Anlageberatung gewährte. Dies ist auch nicht zu Lasten des Beklagten unbillig, da es diesem unbenommen gewesen wäre, zur Klärung den Kläger auf die nicht beabsichtigte Erbringung einer Anlageberatung oder auf deren gesonderte Erforderlichkeit hinzuweisen.
Ist damit von einem Anlageberatungsverhältnis auszugehen, so genügten die tatsächlich gewährten Informationen den zu erfordernden Standards einer "anlegergerechten" und "objektgerechten" Beratung (BGHZ 123, 126 ff.) ersichtlich nicht. Denn weder kann davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte hinsichtlich Anlagemöglichkeiten und Anlagezielen des Klägers näher informiert hätte, noch stellten die tatsächlich gewährten Informationen - insoweit überschneidet sich der Pflichtenkreis von Anlageberatung und Aufklärungspflichten (hierzu sogleich noch unter 2.) - eine hinreichende Dokumentation von Chancen und Risiken einer Anlage in S -Aktien dar, geschweige denn, dass sie als Basis einer Anlageempfehlung eine fachkundige und transparente Bewertung enthalten hätten. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 6. Dezember 2004 die Überlassung "umfangreichen Informationsmaterials" vor dem Erwerb der S -Aktien behauptet hat, ist doch schon nicht ersichtlich, dass und welche weiteren Unterlagen als die bei der Gerichtsakte befindlichen schriftlichen Vertragsunterlagen einschließlich "Begleitinformationen" - und nur diese Unterlagen hat auch das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt - dem Kläger ausgehändigt worden sein sollen. Daher bestand für den Senat auch keine Veranlassung gemäß §§ 525, 156 ZPO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
2. Aber selbst wenn mit dem Landgericht lediglich der bei einer bloßen Anlagevermittlung vom Anlagevermittler zu beachtende Pflichtenkreis zugrunde gelegt würde, genügten die vom Beklagten tatsächlich gewährten Informationen nicht den Anforderungen an eine "richtige und vollständige Information über alle tatsächlichen Umstände ..., die für den Anlageinteressenten von besonderer Bedeutung sind" (vgl. etwa BGH ZIP 2004, 155). Hierbei kann der für gewerbliche Anlagevermittler entwickelte Pflichtenkreis auch auf den Beklagten als Verkäufer eines Eigenbestandes von Wertpapieren angewendet werden, weil dieser - auch unabhängig von einer Anwendbarkeit der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes - sich nach denjenigen Maßstäben behandeln lassen muss, die der von ihm in Anspruch genommenen Rolle entsprechen. Dies war aber nicht diejenige eines Verkäufers "von privat an privat", sondern diejenige eines Fachmannes, als welchen der Kläger den Beklagten kontaktiert hatte.
- Unzureichend war zunächst die Information über die erschwerte Handelbarkeit der S -Aktien.
Zwar hat der Beklagte jedenfalls in den von ihm dem Kläger ausgehändigten "Begleitinformationen zum Wertpapierkaufvertrag (Aktien der S -AG)" (Bl. 17 d. A.) auf den spekulativen Charakter der Anlage ebenso hingewiesen wie auch darauf, dass die Aktie nur im vorbörslichen Handel erhältlich war und der vorbörsliche Handel einen ungeregelten Freiverkehr darstellt, in welchem es gegen offensichtliche Preismanipulationen keine rechtliche Handhabe gibt.
Nicht hinreichend deutlich wird damit aber, dass infolge des lediglich freien Handels der Käufer unter Umständen im Verkaufsfalle sich nicht nur selbst einen Zugang zum Markt erst erschließen muss, sondern es auch erleben kann, dass seine Papiere wegen Marktenge überhaupt nicht mehr veräußerbar sind. Hiermit wird allenfalls ein spekulativ gesondert erfahrener Anleger ohne weiteres rechnen; der Durchschnittsanleger ist über dieses spezifische Risiko nicht nur bei der Anlageberatung gesteigert aufzuklären (OLG Oldenburg, NVWZ-RR 2003, 179 f.), sondern auch bei bloßer Anlagevermittlung ebenso gesondert zu informieren (LG Berlin VuR 2004, 20, 22), wie dies die Rechtsprechung von jeher etwa auch beim Erwerb von "Penny-Stocks" fordert (BGH NJW 1991, 1108 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1051). Einer solchen Informationsverpflichtung konnte der Beklagte auch nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Vereinbarung einer - teureren - Rücknahmegarantie entgehen.
- Ebenso keineswegs zureichend hat der Beklagte über den Inhalt negativer Bewertungen der S -Aktie in der Fachdiskussion informiert. Gerade weil der Beklagte in seinen "Begleitinformationen" positive Bewertungen von Brancheninformationsdiensten und "Börsenkennern" sowie die eigene positive Einschätzung einschließlich des eigenen Anlageengagement erwähnt hatte, hätte es zur - geschuldeten - umfassenden Informationen gehört, auch abweichende Auffassungen der Brancheninformationsdienste kundzutun. Dass dies und auf welche Weise geschehen ist, hat der Beklagte jedoch gerade nicht dargelegt.
- Auch hinsichtlich der Mitteilung von Kursentwicklung und Gewinnerwartungen ist der Beklagte den geschuldeten Anforderungen nur teilweise gerecht geworden. Zwar ist die Mitteilung optimistischer Gewinnerwartungen als solche nicht zu beanstanden; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Anlage in S -Aktien in erkennbarer und vom Beklagten auch offenbarter Weise spekulativer Natur war. Zur Vermittlung eines wahrheitsgetreuen Bildes hätte jedoch auch die Darstellung weniger optimistischer Einschätzungen gehört, darunter auch - trotz aller Bewertungsschwierigkeiten im Freiverkehr - auch die Mitteilung der vom Bankhaus P & Co. sowie dem Gerlach-Report 5/1997 ermittelten (K 50, Bl. 20 d. A.) und seit 1996 sinkenden Kurse.
Da für den Kläger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens streitet, ist davon auszugehen, dass bei hinreichender Beratung oder Information der Kläger von einem Erwerb der S -Aktien Abstand genommen hätte. Im Wege des Schadensersatzes hat der Beklagte den Kläger folglich derart zu stellen, als wenn dieser die Aktien nicht erworben hätte. Dies führt zur Verpflichtung des Beklagten zur Rückgewähr des vereinnahmten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der an den Kläger übertragenen S -Aktien.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil dem Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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